BFSG & Overlay-Technik: Warum scheinbar 'einfache' Lösungen fatale Folgen haben können
Seit Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) gilt für digitale Angebote: Barrierefreiheit ist keine Option mehr, sondern Pflicht. Dennoch setzen viele Unternehmen weiter auf sogenannte Overlay-Lösungen – visuelle Layer, Plug-ins oder Skripte von Drittanbietern. Diese suggerieren häufig, die Barrierefreiheit ließe sich per Schieberegler nachrüsten.

Doch genau hier liegt das Problem: Diese Lösungen verschieben die eigentliche Aufgabe, behandeln die Ursache aber nicht. Damit gefährden Overlay-Tools im schlimmsten Fall sogar Datenschutz und Rechtskonformität der Internetseiten.
Warum Overlays keine echte Barrierefreiheit bieten
Overlay-Technologien verändern nur die optische Darstellung der Website. Der eigentliche Quellcode bleibt unverändert – und damit bestehen die Barrieren weiter. Das widerspricht dem Grundgedanken des BFSG, wonach die gesamte Website in einer barrierefreien Version vorliegen muss. Wer nur eine visuelle Schicht darüberlegt, erfüllt die gesetzlichen Anforderungen nicht. Hinzu kommt, dass die Overlay-Tools in vielen Fällen selbst nicht Barrierefrei sind und jeden Versuch in diese Richtung selbst dadurch bereits unterbinden.
Noch gravierender: Overlays werden fast immer von Drittanbietern geliefert. Das bedeutet, dass Nutzerdaten wie beispielsweise Seiteninhalte, Nutzungsverhalten oder sogar Formulareingaben, rein theoretisch an externe Server übertragen werden könnten. Gerade im Hinblick auf Datenschutz (DSGVO) ist das ein kaum kalkulierbares Risiko. Hinzu kommt, dass Sie derartige Behelfs-Tools ggf. auch in ihren Datenschutzerklärungen und Cookie-Banner integrieren müssen.
Belastbare Gründe gegen Overlays
1. Argument: Sicherheitsrisiken
- Erläuterung: Overlays lesen Daten aus oder verändern DOM-Strukturen. Das öffnet Angriffsflächen.
- Quelle: https://developer.chrome.com/docs/extensions/develop/security-privacy/stay-secure?hl=de
2. Argument: Datenschutz-Probleme
- Erläuterung: Eingebettete Drittanbieter-Skripte können Daten weitergeben.
- Quelle: https://kanopi.com/blog/accessibility-overlays-buyer-beware/
3. Argument: Instabilität & Kompatibilität
- Erläuterung: Browser-Updates führen zu Fehlern.
- Quelle: https://techcommunity.microsoft.com/t5/microsoft-power-apps-blog/best-practices-avoid-ui-automation-when-integrating/ba-p/1193014
4. Argument: Verstoß gegen Richtlinien
- Erläuterung: Viele Plattformen untersagen Interface-Änderungen.
- Quelle: https://workspace.google.com/terms/service-terms/
5. Argument: Scheitern bei Assistenztechnologien
- Erläuterung: Overlay-Schichten blockieren Screenreader.
- Quelle: https://overlayfactsheet.com/en/#strengths-and-weaknesses-of-overlay-widgets
6. Argument: Keine nachhaltige Lösung
- Erläuterung: Scheinlösung mit technischer Schuld.
- Quelle: https://www.thoughtworks.com/en-de/radar/techniques/ui-over-automation
Performance- und Ranking-Nachteile
Overlay-Lösungen können nicht nur aus Barrierefreiheits- und Datenschutzsicht problematisch sein, sondern wirken sich häufig auch direkt auf die technische Performance einer Website aus. Jedes zusätzliche Skript, das beim Laden der Seite ausgeführt wird, erhöht die Ladezeit, verkompliziert den DOM und kann das Rendering blockieren. Das wirkt sich negativ auf wichtige Core Web Vitals wie Largest Contentful Paint (LCP) oder Cumulative Layout Shift (CLS) aus, die Google aktiv zur Bewertung von Seiten heranzieht. Aber natürlich bewerten das auch andere Suchmaschinen wie BING & Co. entsprechend. Langsamere Ladezeiten führen zu schlechteren Rankings, geringerer Sichtbarkeit und höherer Absprungrate.
Hinzu kommt: Overlays können das semantische Markup verfälschen oder zusätzliche DOM-Elemente einfügen, die Suchmaschinen und KI-Crawler verwirren. Das kann dazu führen, dass wichtige Inhalte falsch interpretiert oder gar nicht (mehr) indexiert werden. Wer also auf Overlays setzt, riskiert nicht nur rechtliche und sicherheitstechnische Probleme, sondern schadet unter Umständen auch langfristig der eigenen SEO- und AIO-Strategie.
Öffentliche Einschätzung der Fachstelle: Overlay-Tools reichen nicht aus!
Die BFIT-Bund (Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik) stellt klar: Overlay-Tools können die Barrierefreiheit einer Website nicht sicherstellen. Sie betont, dass solche Werkzeuge vorhandene Barrieren oft nur überdecken, statt sie technisch zu beheben. Weiter das derartige technische Umsetzungen den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen. Auch wenn sich diese Einschätzung auf öffentliche Stellen bezieht, gilt sie sinngemäß für die Privatwirtschaft: Barrierefreiheit muss im Code der Internetseite und in den Strukturen vorhanden sein – nicht nur visuell und überlagert.
Zitat Bundesstelle: „Auch aus Sicht des Ausschusses genügt eine nachträglich durch eine Software, gegebenenfalls erst nach Vornehmen von Einstellungen durch nutzende Personen, temporäre barrierefreie Darstellung eines Webauftrittes für die Dauer ihrer Nutzung nicht den Anforderungen der vorgenannten gesetzlichen Vorschriften.“
Quelle: https://www.bfit-bund.de/DE/Publikation/einschaetzung-overlaytools.html
Der bessere Weg: Barrierefreiheit ab Werk
Wer Barrierefreiheit ernst meint, entwickelt Websites so, dass sie von Anfang an barrierefrei funktionieren – im Quellcode, im Design und in den Inhalten.
Moderne Ansätze ermöglichen es heute sogar, vollständig barrierefreie Parallelversionen automatisch zu generieren, die jederzeit synchron mit dre Hauptseite laufen. Ohne Overlays, ohne Sicherheitslücken – und ohne Abhängigkeit von Drittanbieter-Widgets.
Fazit: Overlays sind keine Abkürzung. Sie sind ein riskanter Umweg, der rechtliche, sicherheitstechnische und finanzielle Folgen haben kann. Wirklich nachhaltige Barriere Freiheit muss von Grund auf mitgedacht werden.
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